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Schwerpunkt
Gewalt

Unter Jugendlichen ist kaum ein anderer Zeitvertreib so beliebt wie virtuelle Kriegs- und Killerspiele. Fast die Hälfte der 12- bis 19-Jährigen, vor allem Jungen, spielen gewalttätige Computerspiele. Sie schlüpfen in die Rolle eines virtuellen Soldaten oder Kämpfers, nehmen die Spielwelt häufig durch die Augen der Spielfigur wahr (Ego-Shooter) und erfüllen zusammen mit anderen Spielern Missionen, die darin bestehen, Unmengen an Gegnern zu töten.

Einleitung

Viele Eltern trauen ihren Augen nicht, wenn sie solche Spiele das erste Mal sehen, es sei denn, sie gehören zu den Eltern, die selbst schon mit solchen Spielen groß geworden sind. Gewalttätige Computerspiele gehören tatsächlich längst zur normalen Spielwelt, so wie für frühere Generationen gewalttätige Kriegs- und Actionfilme.


Trotzdem bleibt die unübersehbare Gewalt in solchen Spielen verstörend. Warum spielen Kinder und Jugendliche diese Spiele mit einer solchen Leidenschaft? Eine Erklärung ist, dass es nach einer kurzen Eingewöhnung für die Spieler gar nicht mehr um die Gewalt und das Töten geht, sondern einfach um die Spannung, die sie beim Spielen erleben und die sie als unterhaltsam und angenehm empfinden. Es geht um technisches und taktisches Geschick, das gemeinsame Spielen in einem Team, mit dem ständig gechattet wird, und den Spaß am Gewinnen. Es geht vor allem um die Erfahrung, sich in einem Wettkampf mit anderen messen und beweisen zu können. Das finden viele Jugendliche – insbesondere viele Jungen – toll und so gesehen sind auch gewalttätige Computerspiele ein normales Spiel mit allerdings gewöhnungsbedürftigen Aufgaben.


Viele Eltern fragen sich trotzdem verständlicherweise, ob die Gewalt in Computerspielen und Filmen nicht dazu führen kann, dass die Kinder selbst gewalttätig werden. Wenn Kinder und Jugendliche in einer hyperrealistischen Spielwelt Töten und Morden als selbstverständlich erleben, sinkt dann nicht auch die Hemmschwelle, im realen Leben auf solche Konfliktlösungen zurückzugreifen?


Jugendliche Amokläufer*innen hatten meist auch gewalttätige Computerspiele auf ihrem Rechner. Aber auch hier ist eher wahrscheinlich, dass ihre erhöhte Gewaltbereitschaft zwar zu einer Vorliebe für solche Computerspiele führt, die Videospiele aber nicht das Risiko für reale Gewalttaten erhöhen.


Es gibt viele Studien, die zeigen, dass Gewalt in Videos und Spielen aggressive Gedanken, Gefühle und Handlungen begünstigen können. In solchen Studien werden zwei Gruppen mit zufällig ausgewählten Personen gebildet. Während die eine Gruppe Filmausschnitte mit Gewaltszenen zu sehen bekommt, werden der anderen Gruppe Ausschnitte eines spannenden Sportwettkampfes gezeigt. Danach haben beide Gruppen die Möglichkeit, eine andere Person scheinbar zu bestrafen. Sie dürfen beispielsweise jemand anderem scharfe Soße ins Essen mischen oder Nadeln in eine Voodoo-Puppe stechen. Die Forscher*innen notieren dann, ob die Personen, die Gewaltszenen sahen, härter bestrafen, als Personen, die einen Sportwettkampf sahen. Studien stellten so fest, dass Gewalt in Videos und Spielen durchaus zu härteren Strafen führt. 


Soweit ist die Wirkung von Spielen also klar. Nicht klar ist jedoch, ob diese erhöhte Aggressionsbereitschaft dazu führen kann, dass die Spieler*innen auch im realen Leben gewaltbereiter werden. Viele Wissenschaftler*innen sind der Ansicht, dass solche Laborexperimente nur eine geringe Aussagekraft haben und stellen infrage, dass damit auch reale Gewaltverbrechen erklärt werden können. 

Gewalt hat viele Ursachen

Wissenschaftler*innen sind sich weitgehend einig, dass Gewalt in Medien und Spielen nur ein Faktor von vielen ist. Reale Gewalt hat vielmehr ein komplexes Geflecht von Ursachen. Fast immer kommen andere Faktoren hinzu, damit tatsächliche Gewalt ausgelöst wird. Zum Beispiel sind Menschen, die in ihrer Familie Gewalt erlebten, später als Erwachsene auch häufiger selbst gewalttätig. Andere Faktoren sind eher situativ: Die meisten Gewalttäter*innen meinen, provoziert worden zu sein. Ihre Fähigkeit, Provokationen zu ertragen, ist häufig geringer als bei anderen. Sie sind oft auch nicht so gut in der Lage, Stress zu ertragen. Hinzu kommen Vorbilder im Freundeskreis. Nutzen die Meinungsführer*innen in einer Clique beispielsweise verbale Gewalt, um sich gegen andere durchzusetzen (»Ich mach dich platt!«, »Ich schlag dich tot!«)? Je mehr solcher Risikofaktoren zusammenkommen, desto höher ist das Risiko, dass eine Person tatsächlich gewalttätig wird.

Mediengewalt ist keine Erklärung für schwere Gewaltverbrechen

Gewalt in Medien erklärt keine schweren Gewalttaten. Dies wird zwar immer wieder nach Amokläufen von Jugendlichen in Schulen diskutiert. Jugendliche Amokläufer*innen hatten meist auch gewalttätige Computerspiele auf ihrem Rechner. Aber auch hier ist eher wahrscheinlich, dass ihre erhöhte Gewaltbereitschaft zwar zu einer Vorliebe für solche Computerspiele führt, die Videospiele aber nicht das Risiko für reale Gewalttaten erhöhen. Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass Gewaltverbrechen wie Amokläufen ein langer und gestörter Entwicklungsprozess vorausgeht. Dabei scheinen auch öffentliche Demütigungen, soziale Ausgrenzung sowie Gewalt- und Rachefantasien eine wichtige Rolle zu spielen. Als weitere Risikofaktoren gelten psychische Erkrankungen wie beispielsweise Persönlichkeitsstörungen sowie die Verfügbarkeit von Waffen. Die Schlussfolgerung daraus ist aber auch: Jugendliche, die gewalttätige Computerspiele spielen, sind normale Menschen, die weder tatsächlich gewaltbereit noch psychisch krank noch potenzielle Amokläufer*innen sind.

Gewaltfreies Verhalten in der Familie als wichtigster Schutzfaktor

Es gibt nicht nur Faktoren, die Gewalt begünstigen, sondern auch Faktoren, die vor Gewalt schützen und Kinder und Jugendliche vor aggressivem Verhalten bewahren. Der wichtigste Schutzfaktor ist ein gewaltfreies Verhalten innerhalb der Familie. Kinder lernen von ihren Eltern, wie sie Konflikte lösen. Sie bekommen mit, ob sie sich konstruktiv streiten und immer wieder Kompromisse finden, auch wenn es manchmal dauert. Oder ob Konflikte immer wieder eskalieren und in Schreien und Schlägen enden können.

Verbote helfen nicht

Es ist unrealistisch, Jugendlichen Spiele und Filme, die brutale Gewalt darstellen, grundsätzlich zu verbieten. Verbote und auch Altersbeschränkungen können die Anziehungskraft dieser Medienangebote sogar erhöhen. Kinder und Jugendliche müssen den Umgang mit Gewalt in Medien lernen, indem sie Erfahrungen damit machen. Eltern sollten diese Auseinandersetzung begleiten. Gemeinsame Medienerlebnisse bieten die Möglichkeit, das Erfahrene miteinander zu diskutieren.

Seien Sie ein gutes Vorbild

Kinder lernen von ihren Eltern, und zwar weniger von den klugen Regeln, die sie aufstellen, und dem Durchblick im Leben, den sie schon haben, sondern von ihrem Verhalten. Wenn die Eltern selbst ständig das Handy in Griffweite haben oder wenn sie selbst gewalttätige Actionfilme sehen, dann ist ein Internetverbot oder ein Verbot gewalttätiger Computerspiele wenig überzeugend. Überzeugender ist dagegen, selbst Filme mit drastischen Gewaltszenen abzuschalten.