Elternabend in einer Internet-Suchtberatung
Anfangs hört es sich so an, als seien ausschließlich die Jungs das Problem. Auf die Frage, um wen sich die Eltern sorgen, antworten sie fast gleichlautend: »Um meinen Sohn, 17 Jahre.« – »Sohn, 17 Jahre.« – »Sohn, 15 Jahre.« – »Sohn, 17 Jahre« – »Sohn, 20 Jahre. Ich möchte, dass er wieder zur Schule geht.« Der Grund für die Sorge ist immer derselbe: Die Jungs »hängen nur noch am Rechner«. Sie finden in ihren Abenteuern und Kämpfen im Cyberspace kein Ende und keinen Ausgang. Sie schlafen nachts nicht mehr, sondern verfolgen gebannt und manchmal wie rasend auf die Tastatur hämmernd das Spiel ihrer Mannschaft. Sie kommen morgens nicht mehr aus dem Bett und schmeißen Schule und Ausbildung, weil sie dort längst abgehängt sind.
Alle Eltern, die sich an diesem Dienstagabend um 18 Uhr in der Caritas-Beratungsstelle in Berlin-Kreuzberg treffen, machen sich massive Sorgen um ihre Kinder und haben die eine dringende Frage: »Was kann ich machen, damit er wieder aufhört?« »Absprachen sind nicht mehr möglich«, berichtet eine Mutter. »Immer ist er mitten wo drin und kann gerade nicht aufhören.« Eine andere Mutter änderte deshalb schon das Passwort am Computer ihres Sohnes. »Jetzt hasst er mich«, stellt sie resigniert fest. »Ich habe sogar die IP-Adresse geändert«, erzählt eine weitere Mutter und erntet verwunderte Blicke, weil alle anderen Eltern gar nicht wissen, wie das geht. »Hat alles nichts genutzt«, winkt die Mutter ab. »Hat sich eine neue besorgt.« Ein Vater war nahe davor, »das Ding einfach aus dem Fenster zu schmeißen«.
Alle Eltern sind mit ihrem Latein am Ende. Als bereits viele ihre Hilflosigkeit geschildert haben, melden sich eine Mutter und ein Vater und berichten, dass sie ihrer Tochter schon sechs Handys weggenommen haben. Mit dem Handy habe sie Nacktfotos von sich gemacht und diese im Internet gepostet. In Chats habe sie Kontakte zu älteren Männern aufgenommen. Das Entsetzen aller Eltern ist jetzt mit den Händen zu greifen.